Schliess den Mund, dann bleibst du gesund! Buteyko für Kinder und Jugendliche.

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Warum es wichtig ist, wie unsere Kinder atmen

Kann dein Kind sich nur schwer konzentrieren oder gerät leicht in Panik? Schläft es schlecht oder leidet an Asthma? Das sind keine seltenen und doch alles andere als belanglose Leiden, die nicht nur das Kind, sondern auch das Familienleben und die Lehrpersonen auf die Probe stellen können. Wenn es darum geht, die Situation zu verbessern, lohnt es sich die Frage zu stellen «Wie atmet das Kind? Meistens ruhig durch die Nase oder oft sichtbar durch den Mund?»

Von Natur aus atmen Kinder durch die Nase. Gesund zu atmen, bedeutet langsam, leicht und mit einer sanften Bewegung im Bauch zu atmen. Die Atemwege der Nase sind so beschaffen, dass sie dies unterstützen, indem sie dem Luftstrom Widerstand bieten. Ist ein Kind jedoch beispielsweise öfter gestresst, länger erkältet oder leidet an Heuschnupfen, so gewöhnt es sich möglicherweise an, durch den Mund zu atmen und wechselt ohne Anregung von aussen nicht mehr zurück zur Nasenatmung.

Via Mund können wir aufgrund des fehlenden Widerstands in den Atemwegen, viel schneller ein- und ausatmen und pro Atemzug viel mehr Luft umsetzen. Die Atemluft wird in den Mundatemwegen auch weniger tief geleitet, als wenn wir durch die Nase atmen. Der Körper gewöhnt sich daran und wir atmen immer schneller, schwerer und oberflächlicher. Mundatmung schafft das Gegenteil einer gesunden Atmung und begünstigt u.a.

  • Schlafstörungen

  • Konzentrationsstörungen

  • Angstzustände & Panikattacken

  • Lernbehinderungen

  • Asthma

  • Zahnfehlstellungen & Karies


Diese Leiden schleichen sich oft langsam ein und Mundatmung wird als Ursache möglicherweise gar nie abgeklärt. So Ralph Skuban in seinem Buch Die Buteyko Methode: “Aktuelle Studien sagen, dass 55% der Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren gewohnheitsmässig durch den Mund atmen und damit chronisch hyperventilierten. Das ist ein Heer von 3.2 Millionen Kindern in Deutschland mit einem überaus gesundheitsschädlichen Atemverhalten, das weder Eltern, Lehrer noch Ärzte zur Kenntnis nehmen.”

Wenn ein Kind oder Teenager also am Tag und/oder in der Nacht immer wieder durch den Mund atmet, lohnt es sich aktiv zu werden. Die gute Nachricht ist:

Mundatmung ist reversibel!

Mit regelmässigen Buteyko-Atemtraining kann die Atmung innert vier bis sechs Wochen verbessert werden. Für Eltern kann es jedoch herausfordernd sein, die eigenen Kinder zu regelmässigen Atemübungen zu begeistern. Grössere Kinder können sich Zuhause und speziell in der Nacht den Mund abkleben. Dabei muss es dem Kind jederzeit möglich bleiben, den Mund zu öffnen. Die Lippen also beispielsweise nur an den Mundwinkeln verschliessen oder das speziell dafür entwickelte Myotape verwenden. Bei kleinen Kindern darf der Mund aus Sicherheitsgründen nicht abgeklebt werden. Teenager sprechen möglicherweise auf TikTok Filme an, welche zeigen, dass Nasenatmung attraktivere Gesichtszüge hervorbringt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Nasenatmung als wichtiger Pfeiler für gesunde Entwicklung nicht nur zu Hause, sondern auch überall dort propagiert wird, wo Kinder sich oft aufhalten. Schulen oder Sportvereine beispielsweise profitieren davon, indem Nasenatmung sowohl die geistige als auch die körperliche Leistungsfähigkeit steigert.

Hier gilt es anzufügen, dass blockierte Nasenatemwege die Atmung durch die Nase unmöglich machen können. Grund dafür können z.B. stark vergrösserte Mandeln oder allergische Reaktionen sein. Dies ist jedoch, gemäss Patrick McKoewn, nur bei einer kleinen Minderheit der mundatmenden Kinder, der Fall. Er empfiehlt dazu einen einfachen Test: Das Kind nimmt einen Schluck Wasser und behält ihn eine Minute im Mund. Atmet das Kind dabei problemlos weiter, so ist Nasenatmung und damit auch Buteyko-Atemtraining grundsätzlich möglich. Andernfalls ist eine ärztliche Abklärung und allenfalls Behandlung notwendig. Bei erschwerter Atmung durch die Nase, kann es sich auch neben einer ärztlichen Behandlung lohnen, Nasenatmung zu üben, denn:

Je öfter ein Kind durch die Nase atmet, desto offener sind diese Atemwege und umso einfacher fällt es ihm mit der Zeit gesund zu atmen.

Wenn Eltern, Lehrerpersonen, Trainer:Innen und andere Betreuungspersonen verstehen, wie unsere Atmung funktioniert, können sie Kinder besser unterstützen. Viele Erwachsene haben diesbezüglich wenig Ahnung. Atmung wird in der medizinischen Aufklärung zwar immer mehr, aber immer noch eher nebenbei, thematisiert. Deshalb bleiben ein paar verbreitete und grundlegende Fehlannahmen recht hartnäckig bestehen. Beispielsweise glauben viele Menschen, dass schnelles Atmen unseren Muskeln mehr Sauerstoff zuführt oder dass es gesund ist, oft kräftige Atemzüge zu nehmen. Bei beidem ist das Gegenteil der Fall.

Um es vorweg zu nehmen: Mundatmung ist eine häufige, aber nicht die einzige Ursache von gesundheitlichen Einschränkungen. Das Anliegen von uns Atemtrainer:Innen ist, dass alle Kinder und Jugendlichen wissen, dass Nasenatmung mindestens so wichtig ist, wie Zähneputzen oder sich gesund zu ernähren. Kinder, die durch den Mund atmen, brauchen zudem Unterstützung um ihre gesunde Nasenatmung wiederzuerlangen.

Ich war bereits über 40 Jahre alt, als ich dank einem Apnoe-Tauchkurs endlich zu verstehen begann, wie meine Atmung funktioniert. Dieses Aha-Erlebnis, hat mein Leben in vielerlei Hinsicht positiv verändert. Heute hilft mir bewusstes Atmen durch die Nase, in fordernden Situationen zu entspannen und mich zu stabilisieren – sei es, wenn ich Menschen ins Eiswasser begleite, ein heikles Gespräch führe oder wie jetzt vor dem Bildschirm sitze. Ich wünsche mir, dass Kinder dieses wertvolle Werkzeug schon früh nutzen lernen und sich damit ein solides Fundament legen können, auf das sie im Laufe ihres Lebens aufbauen können.

 
 




So wirkt nasenatmung bei kindern und jugendlichen:


1. Erhöhte Konzentrationsfähigkeit - dank besserer Sauerstoffdiffusion vom Blut ins Hirn

Durch die Nase atmen wir automatisch langsamer und leichter. Leichtes atmen, bedeutet, dass wir nicht übermässig viel Luft pro Atemzug ein- und wieder ausatmen. Reduziertes Atemvolumen und -tempo haben zur Folge, dass wir weniger CO2 ausatmen und der durchschnittliche CO2 Pegel im Blut höher ist, als wenn wir durch den Mund atmen. Ein erhöhter CO2-Pegel ist wichtig, weil CO2 einerseits die Blutgefässe weitet und andererseits den Sauerstoff besser in die Zellen diffundieren lässt (Bohr Effekt, s. dazu auch Wie fit bist du wirklich. Oder: kennst du deinen BOLT-Wert?). Das Gegenteil ist also der Fall, wenn wir aufgeregt sind und deshalb schneller und durch den Mund atmen: der CO2 Pegel sinkt, die Blutgefässe verengen und der Blutfluss u.a. in Richtung Hirn verringert sich. Weil der Sauerstoff bei tiefem CO2-Pegel auch stärker an den roten Blutkörperchen haftet, steht er den Hirnzellen nur reduziert zur Verfügung. Dies erklärt, warum ein Kind sich in einer solchen Situation nur schwer konzentrieren oder auf Anweisungen eingehen kann. So zeigen Untersuchungen auch, dass Kinder mit ADHS häufiger dazu neigen, durch den Mund zu atmen als Gleichaltrige. Wenn das Kind mehrheitlich durch die Nase atmet ist es ruhiger und kann damit in herausfordernden Situationen besser fokussieren und sich konzentrieren.





2. Erhöhte emotionale Stabilität und Resilienz - dank besserer Regulierung des Nervensystems

Im Vergleich zur Mundatmung setzen die Nasenatemwege dem Luftstrom mehr Widerstand entgegen. Um diesen zu überwinden, aktivieren wir unsere Atemmuskulatur und insbesondere das Zwerchfell stärker, wenn wir durch die Nase atmen. Die Zwerchfellbewegung stimuliert beim Ausatmen den Vagusnerv und aktiviert damit den Parasympatikus. Der Parasympathikus ist der Teil des autonomen Nervensystems, welcher verantwortlich ist für Ruhe und Verdauung. Sein Gegenspieler ist der Sympathikus, welcher vorherrscht, wenn wir uns im Kampf- und Flucht-Modus befinden. Wenn der Vagusnerv aktiv ist, werden die Signale, die das Hirn vom Nervensystem empfängt ruhiger. Das setzt eine positive Feedbackschlaufe in Gang, in welcher das Hirn dem Körper zu verstehen gibt, dass er sich in Sicherheit befindet und entspannen kann. Stell dir ein Kind oder einen Teenager in einer herausfordernden Situation vor, wie beispielsweise vor einer wichtigen Prüfung: atmen sie durch die Nase, fällt es ihnen viel leichter ruhig und zuversichtlich zu bleiben. Zudem gibt es kaum ein wichtigeres Tool um einer Panikattacke vorzubeugen, als die Fähigkeit unsere Atmung zu kontrollieren.




3. Reduzierte Symptome bei Asthma und Heuschnupfen - dank besserem Schutz der Atemwege

Wenn es darum geht, unsere Atemwege und unsere Lunge vor negativen Ausseneinwirkungen zu schützen, nimmt die Nase Ihre Aufgabe sehr ernst. Sie ist ein wichtiges erstes Glied in den Verteidigungslinien unseres Immunsystems. Im Vergleich dazu gewährt der Mund praktisch allem freien Eintritt. Die Nasenatemwege temperieren und befeuchten die Luft und filtern Staub, Pollen und andere Partikel. Damit ist die Luft, welche bei der Lunge ankommt der Körpertemperatur angepasst und viel sauberer als wenn wir durch den Mund atmen. Die Feuchtigkeit schützt die Schleimhäute davor auszutrocknen und die Atemwege vor Entzündungen, Viren und Bakterien. Weil Nasenatmung automatisch langsamer und leichter ist, werden die Atemwege zusätzlich entlastet, weil sie insgesamt weniger Luft filtern müssen. Und hast du gewusst, dass sich wenn wir durch die Nase einatmen ein Gas bildet, welches Viren, Bakterien und Pilze abtötet? Es handelt sich um Stickstoffmonoxid NO und seine Wirkung wurde in den 1990er-Jahren entdeckt. Oft atmen leider ausgerechnet Kinder mit Asthma, Heuschnupfen oder Infekten durch den Mund, weil sie das Gefühl haben, durch die Nase nicht genug Luft zu kriegen. Wenn das Kind Übungen kennt, mit welchem es seine Nase befreien und seine Atmung besser kontrollieren kann, fällt es ihm leichter diesen negativen Kreislauf zu durchbrechen und seine Atemwege zu schützen.



4. Bessere schulische Leistungen und weniger Medikamente - dank besserem Schlaf

Wenn ein Kind tagsüber durch den Mund atmet ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sein Mund auch in der Nacht offen bleibt. Ein offener Mund beim Schlafen begünstigt Schnarchen und Schlafapnoe. Auch Kinder sind davor nicht gefeit. Patrick McKeown, der Gründer der Buteykoclinic zitiert in seinem Buch “Atme und heile dich selbst” mehrere Studien, welche den Zusammenhang von Schlafstörungen bei Kindern mit kognitivem Verhalten und schulischen Leistungen untersuchen und belegen. Darunter auch eine Studie mit Kindern, welche im Alltag Medikamente wie Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder Antiallergika einnahmen. Fast die Hälfte dieser Kinder konnte die Medikamente wieder absetzen, sobald Mundatmung und Schlafapnoe als Ursache ihrer Leiden in Betracht gezogen und behandelt wurden.




5. Bessere Körperhaltung, bessere Kiefer- und Zahnstellung - dank Besserer Zungenposition

Es tönt vielleicht etwas unglaublich, aber die Art wie ein Kind atmet, kann sogar seine Haltung, sein Kieferposition und seine Zahnstellung beeinflussen. Grund dafür ist vor allem die Tatsache, dass bei Mundatmung die Zunge nicht natürlich am Gaumen ruhen kann. Ohne den steten sanften Druck der Zunge, entwickelt der Gaumen sich nicht in Bogenform, sondern eher wie ein spitzes Hausdach. Entsprechend ist der Kiefer schmaler und bietet den Zähnen weniger Platz. Ein Kind, welches durch die Nase atmet, kann seine Zunge am Gaumen platzieren und hat damit auch die bessere Chance auf eine ästhetische und funktionelle Zahnstellung. Falls ihr Kind eine Zahnkorrektur braucht, lohnt es sich nach einer Zahnärztin bzw. einem Zahnarzt Ausschau zu halten, welche(r) diesen Aspekt bei der Behandlung berücksichtigt. Sie oder er wird nur selten gesunde Zähne ziehen und mitunter Apparaturen einsetzen, welche nicht nur die Zähne, sondern auch die Zunge zurück in die richtige Position lenken. Zu guter Letzt noch dies: wenn die Zunge nicht am Gaumen liegt, sinkt sie in Richtung Rachenraum und reduziert den Durchmesser der Atemwege. Eine Haltung die der Mensch in der Regel damit kompensiert, dass er den Kopf unbewusst leicht nach vorne hält und damit den Körperschwerpunkt nach vorne verlegt. Wenn das Kind durch die Nase atmet, stützt es damit auch seine gesunde und aufrechte Körperhaltung.



Informiere dich, werde Vorbild & profitiere selbst!

Vielleicht hast du dich gefragt: “Wie steht es uns Erwachsenen? Können wir gleichermassen davon profitieren, wenn wir lernen, wieder vermehrt durch die Nase zu atmen?” Die Antwort ist natürlich “Ja!”. Bei Lehrpersonen beispielsweise, wie bei allen Menschen, welche im Berufsalltag viel und lautstark sprechen müssen, ist das Risiko grösser, zu viel und zu schnell zu atmen. Und nicht zuletzt sind wir Erwachsenen alle Vorbilder, deren Mimik Kinder unbewusst kopieren. Wie es so schön heisst:

“Wir ändern die Welt mit unserem Beispiel, nicht mit unserer Meinung.”

Lehrer:innen und Betreuungspersonen, finden unter gesund atmen - besser lernen - besser lehren ein paar konkrete Möglichkeiten sich und Kinder zu unterstützen. Wenn du mehr erfahren möchtest oder lieber mit Anleitung übst, kontaktiere mich und wir organisieren gemeinsam einen Workshop z.b. für dein Kollegium, deinen Verein oder deine Schulklasse.




Links & Lesetipps

  • schoolbreathe.org - Britische Non-Profit Organisation, welche Atemkurse für Lehrer*Innen und Schulkinder anbietet. (englisch)
  • Oxygen Advantage offizielle Webseite Hier findest du online Trainings und Produkte, die eine gesunde Atmung unterstützen. Für Kinder und Jugendliche können insbesondere Myo-Tapes hilfreich sein, um den Mund nachts auf sichere Weise geschlossen zu halten. Oxygen Advantage bietet auch eine Gratisapp mit Übungen - du findest sie in jeder App Store.
  • Oxa ist ein neuartiger in T-Shirt oder Sport-BH integrierter Sensor. Ich unterstütze die Entwicklung, weil Oxa uns aufzeigt, wie wir in spezifischen Situationen atmen und sich damit unser Stresslevel verändert. Eindrücklich ist beispielsweise, wie sich unsere Atmung und Herzfrequenz unbewusst beschleunigen, wenn wir am Bildschirm sitzen. Die Oxa App, enthält Übungen, welche Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur gesunden Atmung unterstützen können.
  • Die Buteyko-Methode. Wie wir unsere Atmung verbessern für mehr Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Alltag, Beruf, Yoga und Sport. Ralph Skuban, 2020
  • Buch Atme und heile dich selbst. Wissenschaftlich belegte Atemtechniken für ein gesünderes, glücklicheres und längeres Leben. Gegen Covid-19, Stress, Asthma, Allergien, Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Schnarchen, Schlafapnoe, PMS, Bluthochdruck, Diabetes, Epilepsie, Migräne. Patrick McKeown, 2022
  • Buch Angst, Panik und Stress wegatmen. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessern und Ängste, Depressionen und Panikattacken für immer loswerden mit der Buteyko-Methode. Patrick McKeown, 2019
  • Buch Asthma einfach wegatmen. Die wissenschaftlich belegte Atemtechnik, um Asthma, Heuschnupfen und Schnarchen dauerhaft loszuwerden mit der Buteyko-Methode. Patrick McKeown, 2019
  • Buch Erfolgsfaktor Sauerstoff. Wissenschaftlich belegte Atemtechniken, um die Gesundheit zu verbessern und die sportliche Leistung zu steigern. Patrick McKeown, 2019
  • Buch Atem Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens | Über das richtige Atmen und Atemtechniken. James Nestor, 2021