Wie fit bist du wirklich? Oder: kennst du deinen BOLT-Wert?

Dein BOLT-Wert zeigt dir, wie es um deine CO2-Toleranz steht. Deine CO2-Toleranz ist wichtig für deine Fitness, weil sie einen Einfluss darauf hat, wie effizient dein Körper Sauerstoff in Muskeln und alle Körperzellen transportieren kann. Aber fangen wir ganz vorne an:

Das CO2 ist schuld!
Kohlendioxid oder eben CO2, ist unserem Körper dafür verantwortlich, dass wir nur seltenst vergessen einzuatmen. Halte jetzt gleich einmal deinen Atem an, warte und spüre die Zeichen deines Körpers…. In der Regel nehmen wir zuerst ein Druckgefühl im Hals oder in der oberen Brustgegend war. Schuld daran ist der steigende CO2-Pegel, der unsere Blutgefässe ausdehnt. Zudem regen Rezeptoren, welche den CO2-Druck messen, via Atemzentrum im Hirn, unsere Atemmuskulatur zum arbeiten an. Wenn wir uns nicht wie jetzt bewusst achten, nehmen wir das gar nicht wahr und atmen automatisch ein. Und dies jeweils unabhängig von unseren Sauerstoffreserven im Körper und laaange bevor diese gefährlich knapp werden könnten.

Wie entsteht CO2 in unserem Körper?
CO2 entsteht, wenn unser Körper Energie produziert. Wie bei einem Feuer, welches Sauerstoff braucht zum brennen und CO2 in die Luft steigen lässt, nutzen unsere Zellen Sauerstoff um Energie zu erzeugen und um zu funktionieren. Die Zellen erhalten den Sauerstoff mit dem Einatmen via Lunge und Blut und tauschen ihn gegen CO2 aus, welches den Körper wiederum via Blut und Lunge mit der Atemluft verlässt. Das erklärt auch, warum wir beim Sport schneller atmen: nicht in erster Linie weil unser Körper mehr Sauerstoff braucht, sondern, weil unsere Muskeln mehr CO2 produzieren, das er loswerden will.

Der Bohr-Effekt
CO2 ist also verantwortlich für unseren Atemreiz und damit alles andere als ein Abfallprodukt. Was aber hat unser Atemreiz mit unserer Fitness zu tun? Es geht um den Bohr-Effekt. Herr Bohr (1855-1911) hat nämlich herausgefunden, dass je höher der CO2-Pegel im Blut ist, desto einfacher gelangt Sauerstoff vom Blut in die Zellen. Je rascher wir aber atmen, desto weniger Zeit bleibt dem Körper CO2 anzureichern, bevor es den Körper mit der Ausatmung verlässt. Eine durchschnittlich hohe Atemfrequenz hat demnach einen durchschnittlich tiefen CO2-Pegel im Blut zur Folge. Das bedeutet: wenn wir tendenziell zu schnell und zu viel Luft atmen, kann der eingeatmete Sauerstoff aufgrund des fehlenden CO2 nicht optimal in unsere Zellen transportiert werden. Gleichzeitig gewöhnt sich unser Körper mit der Zeit an ein tiefes CO2-Niveau und unsere CO2-Toleranz ist im Eimer. Unser Atemreiz setzt rascher ein, als es für einen optimalen Sauerstofftransfer nötig wäre und wir stecken damit in einer Art “Hochventilationskreislauf” fest. Wo du diesbezüglich stehst, kannst du an deiner durchschnittlichen Atemfrequenz erkennen. Zähle deine Atemzüge pro Minute. Wenn du ruhig sitzt, sollten es nicht mehr als rund 10 pro Minute sein. Optimal wären 6-8 Atemzüge in entspanntem Zustand. Wenn du in ruhigem Zustand über 12-15 Mal pro Minute atmest, dann besteht definitiv Luft nach oben, bzw. nach unten :).

Den BOLT-Wert messen
Die eigene Atemfrequenz zu messen, indem wir Atemzüge zählen, ist gar nicht so einfach. Sobald wir uns auf den Atem konzentrieren, wissen wir nicht mehr, wie wir unbewusst atmen würden. Deshalb magst du vielleicht lieber den BOLT-Wert messen. Er ist ein bewährtes Mass für unsere CO2-Toleranz. BOLT steht für Body Oxygen Level Test - was zu deutsch so viel heisst wie Körper-Sauerstoff-Niveau-Test. Der BOLT-Wert gibt an, wie viele Sekunden es dauert, bis unser Körper nach dem Ausatmen wieder das Zeichen zum Einatmen gibt.

So misst du deinen BOLT-Wert:

  1. Lege dich hin und atme bewusst bis du dich entspannt fühlst und deine Atmung ruhig fliesst.

  2. Nimm einen normalen Atemzug ein und atme normal aus und halte deinen Atem an

  3. Stoppe die Zeit ab dem Atemanhalten bis zum Moment, in welchem dir der Körper ein deutliches Zeichen zum Einatmen gibt.

Unsere CO2 Toleranz ist optimal, wenn unser BOLT-Wert bei rund 40 Sekunden liegt. Da die meisten von uns aber ein latent erhöhtes Stresspegel an den Tag legen, liegt der BOLT-Wert bei den meisten “gesunden” Menschen bei ca. 20 Sekunden. Bei Menschen mit Atemwegsbeschwerden kann er auch bei 10 und darunter liegen.

Wenn du deinen BOLT-Wert zum ersten Mal misst, bist du wahrscheinlich unsicher, ob du die Zeichen deines Körpers richtig gelesen hast und der Wert stimmt. Wichtig ist, dass du NICHT misst, wie lange du die Luft anhalten kannst, sondern die Uhr beim ersten deutlichen Anzeichen deines Körpers stoppst. Das kann ein starker Atemreiz sein, der Drang zu Schlucken oder ein Zucken des Zwerchfells unterhalb der Lunge. Der erste Atemzug danach sollte ein ganz normaler sein. Sonst hast du zu lange gewartet. Es kommt aber nicht auf ein paar wenige Sekunden mehr oder weniger an. Nimm einfach immer die gleichen Anzeichen deines Körpers als Referenz, damit du deinen persönlichen Fortschritt erkennen kannst. Du wirst auch merken, dass es einen Unterschied macht, ob du den Wert im Sitzen oder im Liegen misst und es auf deine Verfassung ankommt. Eine bewährte Weise, den BOLT-Wert zu messen, ist am Morgen vor dem Aufstehen im Bett. Wenn du den BOLT-Wert ein paar Tage nacheinander auf diese Art gemessen hast, wirst du deine CO2-Toleranz aufgrund der oben angegebenen Werte einordnen können. Falls dein BOLT-Wert nicht sonderlich hoch ausfällt, kannst du beruhigt sein. Wahrscheinlich hast du bisher ganz gut gelebt und dein BOLT-Wert wird diese Tatsache nicht ändern. Es tut vielleicht auch gut zu wissen, dass auch viele SportlerInnen relativ niedrige BOLT-Werte aufweisen. Viele Trainingspläne beziehen die Atmung nicht mit ein und die Athleten nutzen damit einfach nicht ihr ganzes Potential. SportlerIn hin oder her, es ist doch toll zu wissen, dass da im wahrsten Sinn des Wortes Luft nach oben besteht. Vor allem wenn du Lust hast, etwas Gutes für deine Gesundheit zu tun oder deine Leistung zu verbessern.

Den BOLT-Wert verbessern
Als ich selbst anfing, mich um meine CO2-Toleranz zu kümmern, lag mein BOLT bei 15 Sekunden! Ich war damals schon eine Weile Wim Hof Instruktorin und hatte angefangen mich zu wundern, warum ich meinen Atem eher weniger lang anhalten konnte als zu Beginn. Als Hobby-Apnoetaucherin fand ich das alles andere als erfreulich. Als ich Anfing mehr über Atemphysiologie zu recherchieren, wurde mir bald klar: ich atmete zu viel. Nicht so sehr wegen der Wim Hof Methode, sie brachte das Fass einfach zum Überlaufen. Viel mehr hatte mich einfach nie richtig um mein Atemmuster im Alltag und beim (Überwasser-)Sport gekümmert.

Dran bleiben lohnt sich!
Die gute Nachricht ist: es reichen ein paar Wochen bis wenige Monate, um einen BOLT-Wert auf ein hohes Niveau zu bringen. Meiner war innerhalb von ungefähr sechs Wochen von 15 auf 35 bis 40 Sekunden gestiegen. Und wenn ich das kann, kannst du das auch! Starte gleich jetzt mit Nasenatmung, sowohl im Alltag als auch beim Sport (s. Atem Workshop für Sportler:innen, Bern). Weitere Infos, sowie einfache und wirkungsvolle Übungen bieten dir die Oxygen Advantage Methode oder Breatheology. Denk dran: Atmen ist ein elementares Bedürfnis. Uns dabei einzuschränken kann sich anfänglich stressvoll anfühlen. Gehe deshalb alle Übungen entspannt an und lass dir Zeit. In der Regel überschätzen wir, was wir in kurzer Zeit erreichen können und unterschätzen, was auf die Länge möglich. Bleib dran, es lohnt sich!

 

Links & Lesetipps

Oxygen Advantage offizielle Webseite mit Klick auf "Store" findest du online Trainings und Produkte, die eine gesunde Atmung unterstützen.

Buch Erfolgsfaktor Sauerstoff: Wissenschaftlich belegte Atemtechniken, um die Gesundheit zu verbessern und die sportliche Leistung zu steigern Patrick McKeown, 2019

Buch Atem James Nestor, 2021

Buch Breathing for Yoga. Applying the Science behind ancient Wisdom in a modern World. Patrick McKeown & Anastasis Tsanis, 2023